Aus dem Insolvenzrecht: Pflichten in der Krise der Kapitalgesellschaft
Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages
Zunächst hat ein Geschäftsführer bzw. Vorstand bei Eintritt in eine Krise fortlaufend zu überprüfen, ob ggf. eine Insolvenzantragspflicht besteht.
Im Fall der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft ist der Geschäftsführer bzw. der Vorstand einer Kapitalgesellschaft (hierzu zählen insbesondere GmbH, UG, Aktiengesellschaft und SE) nach § 15a Abs. 1 InsO verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen. Diese Pflicht gilt sinngemäß für Personengesellschaften (GbR, oHG, KG) an welchen keine natürlichen Personen als unbeschränkt haftende Gesellschafter beteiligt sind.
Überschuldung liegt vor, wenn das Vermögen des Schuldners die bestehenden Verbindlichkeiten nicht mehr deckt, es sei denn, die Fortführung des Unternehmens ist nach den Umständen überwiegend wahrscheinlich. Fälschlicherweise nehmen Geschäftsführer bzw. Vorstände in der Krise diese Fortführungsprognose (auch going concern genannt) immer wieder überschlägig selbst vor. Idealerweise sollte für die Fortführungsprognose jedoch ein Gutachten eines Wirtschaftsprüfers eingeholt werden. Insbesondere ein vom laufenden Steuerberater erstelltes Gutachten, welches die positive Fortführungsprognose bestätigt, wird in der Praxis gerne als Gefälligkeitsgutachten verworfen, sofern sich die positive Fortführungsprognose letztlich nicht bestätigt.
Zahlungsunfähigkeit liegt vor, sofern die Gesellschaft nicht mehr in der Lage ist, ihren Zahlungsverpflichtungen nachzukommen. Eine lediglich vorübergehende Zahlungsstockung führt jedoch noch nicht zur Zahlungsunfähigkeit. Die Rechtsprechung geht im Allgemeinen von einer Zahlungsunfähigkeit des Unternehmens aus, sofern dieses nicht in der Lage ist, zumindest 90 % ihrer fälligen Verbindlichkeiten innerhalb einer Frist von 3 Wochen zu erfüllen.
Wird der Insolvenzantrag nicht oder zu spät gestellt, kann der betreffende Geschäftsführer bzw. Vorstand wegen Insolvenzverschleppung bestraft werden. Eine Verurteilung wegen vorsätzlicher Insolvenzverschleppung hat zur Folge, dass der Verurteilte für einen Zeitraum von 5 Jahren ab Rechtskraft des Urteils nicht mehr zum Geschäftsführer bzw. Vorstand bestellt werden darf und bestehende Bestellungen zum Geschäftsführer unwirksam werden (sog. Inhabilität). Darüber hinaus kann eine Insolvenzverschleppung auch entsprechende zivilrechtliche Haftungsfolgen für den betroffenen Geschäftsführer / Vorstand habe
Pflicht zur Sicherung des Gesellschaftsvermögens
Neben der möglichen Pflicht zur Stellung eines Insolvenzantrages trifft den Geschäftsführer/ Vorstand einer in der Krise befindlichen Gesellschaft die zusätzliche Pflicht zur Sicherung des Gesellschaftsvermögens. Nach Vorliegen der Überschuldung oder der Zahlungsunfähigkeit darf ein Geschäftsführer/ Vorstand grundsätzlich keine Zahlungen mehr vornehmen. Eine Ausnahme gilt nur dann, sofern die Zahlung im Einzelfall mit der Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsmanns vereinbar ist. Letzteres ist in der Praxis äußerst schwierig nachzuweisen.
Werden entgegen diesen Vorschriften Zahlungen aus dem Gesellschaftsvermögen geleistet, läuft der Geschäftsführer/ Vorstand Gefahr, selbst nach § 64 GmbHG bzw. § 92 AktG in die Haftung genommen zu werden.
Dementsprechend sollte ein Geschäftsführer/ Vorstand bei Eintritt einer Krise frühzeitig rechtlichen Rat einholen, um eine eventuelle persönliche Haftung zu vermeiden.
Fortlaufende Pflicht zur Abführung der Sozialversicherungsbeiträge sowie zur Erfüllung der steuerrechtlichen Pflichten
Daneben muss der Geschäftsführer / Vorstand auch in der Krise nach Eintritt der Insolvenzreife weiterhin die fälligen Sozialversicherungsbeiträge abführen und die steuerrechtlichen Pflichten der Gesellschaft erfüllen. Tut er dies nicht, macht er sich ggf. einer Veruntreuung von Arbeitsentgelt nach § 266a StGB bzw. einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO strafbar.
Daneben haftet der Geschäftsführer / Vorstand für die nicht abgeführten Beträge nach § 69 AO (bei Nichtabführung der Steuer) bzw. § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. § 266a StGB (bei Nichtabführung der Sozialversicherungsbeiträge).
In diesem Fall ist es besonders problematisch, dass die unter vorstehender Ziffer 2 dargestellte Pflicht zur Sicherung der Insolvenzmasse ggf. mit der Pflicht zur Abführung der fälligen Sozialversicherungsbeiträge und der fälligen Steuerbeträge kollidiert. Dies kann dazu führen, dass der Geschäftsführer / Vorstand sich einer Haftung nach § 64 GmbHG bzw. § 92 AktG ausgesetzt sieht, sofern er die fälligen Steuern und Sozialversicherungsbeiträge bezahlt und sich im Falle der Nichtzahlung ggf. mit einer Haftung nach § 69 AO bzw. §§ 823 Abs. 2 BGB, 266aStGB konfrontiert sieht.
Auch zur Vermeidung eines solchen Haftungsdilemmas sollte sich der Geschäftsführer / Vorstand eines in der Krise befindlichen Unternehmens frühzeitig im Insolvenzrecht beraten lassen.
Ihr Ansprechpartner im Insolvenzrecht:
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